Auszüge aus unserem Beiheft in der fiftyfifty-Strassenzeitung - 09|2021 zum Thema "zuhause"

Zurück in normale Leben

Wir alle haben lange genug darauf gewartet! Geselligkeit, Reisen können, Freunde besuchen, gemeinsam essen gehen, kurz: wieder zu „leben“.

Und es ist gut, dass wir die Stadt immer wieder von ihrer lebensfrohen Seite erleben. Aber natürlich wissen wir: Wo viel Licht ist, da ist auch Schatten. Jeden Tag, wenn wir durch die Stadt gehen, sehen wir sie – die Pfandflaschensammler mit ihren Taschenlampen an den Mülleimern, die fiftyfifty- Verkäufer, die Bettler der Stadt, und dann die vielen, die wir gar nicht sehen. Ja, auch in diesem schönen Düsseldorf, in dieser lebensfrohen Stadt, fehlen sie nicht.

Sie waren und sind für uns in vision:teilen ein Weckruf, und deshalb heißt es bei uns: auf verschiedenen Wegen das gleiche Ziel zu verfolgen – den Weg zurück in die Gesellschaft zu bahnen und den Absturz zu verhindern.

Aber wie aus dieser Situation herausführen?

Dazu sagt der vision:teilen e.V. :

  • durch Hilfe und Begleitung für die, die kurz davor stehen abzustürzen und auf der Straße zu landen;
  • durch Aufsuchen und Begleiten derer, die in ihrer Vereinsamung ganz auf sich selbst zurückgeworfen sind und den Anschluss an die Gesellschaft verpasst und verloren haben;
  • durch Gastfreundschaft und praktische Hilfe für die, die in zunehmender Zahl auf der Straße leben und keine eigene Wohnung mehr haben;
  • durch eine schnelle Wohnraumvermittlung (sog. Housing First) für die, die auf der Straße gelandet sind und wieder aus der Obdachlosigkeit herauswollen.

Sicher werden Sie sagen: „Ein ambitioniertes Vorhaben! Und wie sieht es damit in der Praxis aus?“ Nun, wir alle kochen mit Wasser, das stimmt. Aber dennoch haben wir den Eindruck: Unsere Hilfe kommt an – und verändert. Denn jeder Mensch, der seine Würde behält, der wieder eine Wohnung hat, der in seiner Angst und Einsamkeit nicht zugrunde geht, ist diesen Einsatz wert.

 

Leben im Schatten der Gesellschaft – und unsere dreifache Antwort

Es kostet oft sehr, sehr viel, um Menschen zu halten, die tief in Schulden und unbeantworteten Mahnungen verstrickt sind. Da ist der Wohnungsverlust oft nur der letzte Schritt. Wir versuchen zu helfen, soweit immer es geht. Am besten geht das mit einer frühzeitigen Begleitung durch Ehrenamtliche, die – selber professionell unterstützt – den Betroffenen helfen, rechtzeitig die Dinge wieder ins Lot zu bringen, zu vermitteln und vor allem, dem einzelnen die Möglichkeit zu geben, wieder „Boden unter die Füße“ zu bekommen. Das geht nicht von heute auf morgen, da braucht es viel Vertrauen und Fingerspitzengefühl.

Kurzum: es braucht eine strukturierte und gut durchdachte helfende Hand.

1. „hallo nachbar!“: Hilfe für Menschen in Einsamkeit und Verarmung

Diese Hilfe, die nicht einfach vom Zufall und guten Willen abhängt, ist das Ziel von „hallo nachbar“. Heute sind es drei Sozialarbeiterinnen, über 130 Ehrenamtliche und gut 120 begleitete „Nachbarn“: Menschen, die Hilfe brauchen und um Hilfe gebeten haben.

Hier wird ein Nachbar mit einem ihn oder sie begleitenden Ehrenamtlichen zusammengeführt. Auch wenn sie zusammenpassen, dann bleiben sie sich nicht allein überlassen. Unsere Sozialarbeiterinnen Julia, Jessica, Sonja und Marieke begleiten jede und jeden einzelnen. „Not kennt kein Gebot“ – dieser Grundsatz gilt auch hier.

2. Der gutenachtbus –die ausgestreckte Hand nachts auf der Straße

Auch der beste Wille kann Abstürze nicht verhindern, vor allem wenn wir erst darauf stoßen, wenn die Menschen auf der Straße sind. Man muss ganz unten wieder anfangen. Und das heißt für uns: Denen, die nachts obdachlos zu uns kommen eine ausgestreckte Hand bieten. Diesmal am gutenachtbus, mit allem, was man nachts auf der Straße braucht. Mit insgesamt über 60 Ehrenamtlichen für den nächtlichen Einsatz. Unterstützt von Alena, unserer Sozialarbeiterin, und Masoud, unseren erfahrenen Busbegleiter, ist der gutenachtbus nachts unterwegs und hilft den Obdachlosen mit was immer man nachts draußen braucht. Aber natürlich ist die Vermittlung in Notschlafstellen das eigentliche Ziel – und der diskrete Hinweis: „Auch für Dich gibt es einen Weg aus dieser Sackgasse!“

3. Housing First –die konkrete Hilfe für ein neues Leben

Gerade dann, wenn man tief abgerutscht ist, braucht es umso mehr die konkrete Hilfe! Wer als Obdachloser und Jobcenter-Bezug eine Wohnung in Düsseldorf sucht, sucht sozusagen die Nadel im Heuhaufen – und das ohne Erfolg.

Aus diesem Grund hat sich vision:teilen der Bewegung „Housing first“ angeschlossen: zuerst eine Wohnung beschaffen, und dann um alles andere kümmern (Arbeit, Einkommen, Gesundheit usw.). Es wird eine Wohnung gekauft und zu normalen Mietbedingungen und unbefristet an eine oder einen Obdachlosen wiedervermietet. Gewiss, kein Wunderwerk, aber tatsächlich der wichtigste und sehr erfolgreiche Weg, um Menschen aus der Misere der Straße zu befreien. Sonja, unsere Sozialarbeiterin von hallo nachbar, kümmert sich sozusagen im „Zweitjob“ um „unsere“ Ex-Obdachlosen im Housing First, inzwischen in unseren vier Wohnungen.