Etwa einen Monat lang galt in Düsseldorf die Ausgangssperre. Wer keinen guten Grund hatte draußen zu sein, musste zuhause bleiben. Es gab nur wenige Ausnahmen und beim Durchgehen dieser fiel uns auf: Obdachlos zu sein gehörte nicht dazu.

Wie ging das Ordnungsamt nachts mit Obdachlosen auf der Straße um? Litten sie unter der Ausgangsperre oder freuten sie sich tatsächlich über die Ruhe?

Um mehr über das Leben der Menschen auf der Straße in einer solchen Ausnahmesituation zu erfahren, haben wir am gutenachtbus uns die Zeit genommen um mit einigen von ihnen zu sprechen.

Das hatten sie zu sagen:

„Man hat uns da oben früher ignoriert und man wird es auch weiterhin tun“   

Michael lebt schon lange auf der Straße, schließlich hat er keinen anderen Ort an den er sich zurückziehen kann. Ja, sein Zuhause, ein Zelt mit Isomatte und Schlafsack,  ist außerhalb der Innenstadt, aber trotzdem ist er viel dort unterwegs.
Probleme mit dem Ordnungsamt hatte er nie.  „Man hat uns da oben früher ignoriert und man wird es auch weiterhin tun“ sagt er. Außerdem interessiert ihn die ganze Politik eh nicht. Er trägt seine Maske und ist seitdem nicht mehr krank geworden, „also muss da ja irgendwas dran sein“.

Von der Ausgangssperre bekommt er, wie viele andere, wenig mit. Das, was Michael am meisten zu schaffen macht, sind die Menschen, die nicht mehr in der Stadt feiern, da er früher sein Geld mit dem Sammeln von Pfandflaschen gemacht hat. Das fällt aktuell komplett weg.

„Das war nur ´ne Grippewelle. Die Blasen das alle voll auf! Aber falls ich falsch liege werde ich mich bei Anzeichen auch in Quarantäne packen.“

„Leute wie ihr denkt anders als wir, denn das war wahrscheinlich nur `ne kleine Grippe. Die Blasen das alle voll auf“. Marcel sieht die Pandemie kritisch, denn er hat selbst kaum etwas davon mitbekommen. Außer dem Tragen der Maske hält er sich nicht wirklich an die Regeln, insbesondere die Ausgangssperre ist ihm egal.

Nur einmal hatte ihn das Ordnungsamt angesprochen und hätte Marcel wahrscheinlich eine Geldstrafe verpasst. Doch als sie bemerkten, dass Marcel obdachlos ist gaben sie ihm lediglich eine Verwarnung.  „Auf der Straße stellt die Ausgangsperre keine Hürde da, man lässt uns einfach in Ruhe. Aber in den Schlafstellen wird’s schwer. Es werden Listen umher gegeben auf denen die Namen von Infizierten stehen, wenn man die gesehen hat, muss man in Quarantäne“.

Marcels Problem an der Situation liegt nicht an den einzelnen Maßnahmen, er  macht sich Sorgen, wie es wohl weitergeht.  „Natürlich werde ich in Quarantäne gehen sobald ich Anzeichen zeige. Falls ich falsch liege will ich niemanden verletzen. Aber ohne irgendeinen richtigen Schutz sind wir Obdachlosen dem Virus einfach ausgeliefert, wenn er wirklich so schlimm ist.“

„Wir Obdachlosen haben Diplomatenstatus“

„Auf der Straße gehen alle anders miteinander um“. Nach Masi hängt es ganz von deinem Gegenüber ab, ob Abstandsregeln eingehalten werden oder nicht. Die Meisten tragen zwar Masken aber Abstand halten nur jene, die vorerkrankt sind oder wirklich Angst vor COVID haben. Er erzählt, dass viele sich aufgeben und in Drogen oder Alkohol verlieren, nach ihm verhalten sie sich so, weil diese Menschen nichts mehr zu verlieren haben.

„Außerdem haben wir als Obdachlose Diplomatenstatus, das Ordnungsamt kann wegen der Ausgangssperre nichts gegen uns tun“, erklärt Masi. Große Gruppen werden vielleicht mal auseinandergebrochen, sonst passiert aber nichts. Wo sollen die Obdachlosen denn auch hin?

Das ist seiner Meinung einer der Gründe, weshalb Menschen sich selbst verlieren. „Die Freiheit sich selbst kaputtzumachen“ ist gefährlich. „Das einzige was dagegen hilft“, sagt Masi, „ist an etwas zu Glauben. Entweder an eine höhere Macht oder sich selber, was ist eigentlich egal“.

„Parteibestimmte Maskenproblematiken haben mich misstrauisch gemacht.“

Jakob kennt sich relativ gut in der Welt der Politik aus und hält sich so gut er kann an die vorgegebenen Regeln. Aber mit der Zeit fiel es ihm immer schwieriger Sinn in den Beschränkungen zu sehen, da diese das Leben für Obdachlose nur schwerer machen. Ja, auch er hat kaum Probleme mit der Ausgangssperre, aber alles andere bringt Schwierigkeiten für Jakob.

Zum Beispiel konnte Jakob seine Großmutter nicht im Krankenhaus besuchen bevor sie starb. Als das geschah kam er einfach an keinen Test heran und jetzt, wo es Tests an jeder Ecke gibt, ist es zu spät. Und an die benötigten FFP2-Masken kommt er auch nicht, sodass er sich mittlerweile nicht mehr in Bussen und Bahnen Aufwärmen kann. So geht es vielen Obdachlosen.

Als es dann zu parteibestimmten Maskenskandalen kam, war das Vertrauen von Jakob an die Verantwortlichen verschwunden.

Egal wie unterschiedlich die Meinungen auf der Straße sind, bei einem sind sich alle einig:
Auch wenn die Ausgangssperre kein Problem darstellt fehlt der Schutz vor der Krankheit, denn auch wenn der Virus (zumindest nach einigen) vielleicht gar nicht so schlimm ist; Andere in Gefahr bringen will auf der Straße niemand.

Außerdem fehlt es an vielen Stellen an Vertrauen gegenüber der Regierung, was durch mangelnde Aufklärung und Beachtung der Obdachlosen in den verschiedenen Maßnahmen zu erklären ist.

Um ihnen zu helfen muss noch viel getan werden, aber wo fängt man an?

Wir werden weiterhin da sein, um zu helfen wo wir können, doch das hilft nicht gegen COVID-19.  Wir können Menschen Zelte bringen und ihnen so einen grundlegenden Schutz beten, aber wenn sie krank werden, können wir kaum noch etwas tun.